04. Februar 2024, heute ist Weltkrebstag

Zuallererst möchte ich mich bei meiner Familie, meinen Freunden, Bekannten, Ärzten und Therapeuten für ihre Unterstützung bedanken. Ohne euch wüsste ich manchmal nicht, wo ich wäre.

Jeder von euch gibt mir das, was er kann, und das tut einfach gut – es ist wundervoll von euch getragen zu werden und das Gefühl von Geborgenheit zu bekommen. Schön, dass ich es euch Wert bin – es macht mich glücklich, zufrieden und innerlich Ruhig.

Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht – meine Diagnose ist schon 4 Monate her.

Gerade sitze ich hier auf meinem Schaukelstuhl mit meiner Wärmflasche in Form einer Tigerente, trinke Tee und kuschle mich in meine Wolldecke ein. Heute lasse ich meinen Gedanken freien Lauf.

Das Leben mit der Diagnose Krebs

Für mich ist wichtig, nicht ständig darüber zu reden und sich Freiräume schaffen, um gemeinsam über andere Themen zu sprechen und auch zu lachen. 

Gestern bin ich mit einer Freundin spazieren gegangen und während wir Tee getrunken haben, sagte sie zu mir: “Anja, du bist ein Vorbild für andere. Du motivierst total.” Das haben mir schon viele Menschen ähnlich gesagt. Gestern fing ich an darüber nachzudenken und erlaubte mir dieses Gefühl einmal zuzulassen.

Meine Gedanken dazu:

Seit Oktober, als bei mir die Diagnose Krebs gestellt wurde, steht mein Leben nicht still. Mir wurde schnell klar, dass ich etwas in meinem Leben verändern muss. Es geht nicht nur um die Operation und die Chemotherapie. 

Danach geht es nicht einfach weiter wie zuvor – mit dem ganzen Stress, der Hektik und dem Terminchaos; ohne richtig zu essen und völlig übermüdet zum Yoga zu rennen. Nein, nichts wird mehr sein wie vorher. Für mich war klar: Überall muss etwas passieren. Vor allem frage ich mich: Will ich das überhaupt noch so? Ist es nicht auch eine Chance, endlich etwas zu verändern?

Ja: du bist lebendig
Ja: du möchtest leben
Ja: du verfolgst deine Ziele
Ja: das Leben ist auf deiner Seite
Ja: der Krebs ist auf deiner Seite
Ja: du lässt los
Ja: du bist Meisje durch und durch
Ja: ein Schritt zu seiner Zeit vollendet
Ein volles JA
Zu Allem was IST

Mein "Ja" zu meinen Leben ist gestartet.

Es sind viele Bausteine, die ich begonnen habe zu verändern und die zur Gesundheit und Stärkung meines Immunsystems beitragen. Dazu gehört die klassische Schulmedizin, die Naturheilkunde, das Vertrauen, die Hingabe, die Ernährung, Stressabbau und Sport, Aktivität sowie das Loslassen von negativen Gefühlen und Emotionen und das Setzen von Grenzen. Und natürlich nach vorne schauen… auch wenn es unangenehme oder traurige Themen gibt, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Dabei ist es wichtig, in diesen Gefühlen nicht stecken zu bleiben, sondern sie anzuschauen. Jeder von uns kann morgen die Treppe herunterfallen und das war es dann… und dann… 

Ich für meinen Teil habe damit begonnen, auf mein Bauchgefühl zu hören nach der Operation. Es ist nicht immer leicht und es gibt immer wieder Situationen, in denen ich nicht darauf gehört habe und dann merke: Das war wohl keine gute Entscheidung. Aber mittlerweile klappt es richtig gut und es fühlt sich richtig gut an. Es gibt mir sehr viel Vertrauen in mich selbst. Und wenn ich mal an einer Stelle nicht Nein gesagt habe, lerne ich mir selbst zu verzeihen. Fehler darf man doch machen. 

Plötzlich koche ich und beschäftige mich mit Ernährung. Das, was ich schon längst hätte tun sollen – schließlich habe ich ja noch eine Erbkrankheit namens FAP (familiäre Polyposis), die Probleme mit Magen und Darm verursacht. In den letzten Wochen frage ich mich oft, was nur mit mir los war. Schnell in der Mittagspause zum Rewe gerannt, einen überteuerten Salat gekauft und dabei noch schnell die E-Mails gecheckt. Naja, das war ja schon gut, immerhin habe ich phasenweise mittags nichts gegessen. Mir wird übel, wenn ich daran denke. Und wozu das alles? Mittlerweile mache ich mir Gedanken darüber, worauf ich Lust habe zu essen, koche in Ruhe, gehe einkaufen (immer noch nicht gerne) und nehme mir Zeit für meine Ernährung. 

Sport habe ich schon immer gerne gemacht. Mittlerweile gehe ich viel spazieren, aber nur dann, wenn es mir körperlich auch danach geht. Auch das ist ein Ausprobieren. Gerade nach der Chemo ist es wichtig zu wissen, wann es sinnvoll ist aufzustehen und sich zu bewegen und wann es besser ist sich auszuruhen. Ich kann nur sagen: Ja, probiert es aus und wenn der Spaziergang nach 10 Minuten zu anstrengend ist, dreht einfach um und geht nach Hause. Durch meine große Bauchnarbe konnte ich bisher nicht viel Yoga machen, aber meine 20-30 Minuten Gymnastik helfen mir dabei wieder ein paar Muskeln aufzubauen. Auch hier schaue ich genau hin und setze mich nicht unter Druck. 

Ich habe gelernt um Hilfe zu bitten. Das ist mir oft schwergefallen. Aber nun habe ich verstanden, dass nicht derjenige stark ist, der nicht nach Hilfe fragt, sondern derjenige, der um Hilfe bittet. Und der Gefragte darf auch Nein sagen. Also mein Motto mittlerweile lautet: Entscheide nicht schon im Voraus für andere. 

Ich lese wieder – es ist wunderschön. Entweder eingekuschelt in der Sonne auf der Terrasse oder mit einem Tee in meinem Schaukelstuhl. 

Was überhaupt nicht mehr akzeptabel ist, ist der Stress und Druck durch zu viele Termine. Ich kann nur noch maximal zwei Termine pro Tag wahrnehmen, solange dazwischen eine ausreichend lange Pause liegt und die Anfahrt nicht länger als eine Stunde dauert. Ich möchte mich nicht mehr diesem Stress aussetzen.

Ich höre jetzt für heute auf, da ich Hunger habe. Im Leben gibt es immer zwei Seiten und alles hat auch etwas Positives – das Leben ist es wert, genau hinzuschauen und dann sieht man genau diese Glimmer-Glitzer Momente, über die ich, wenn die Zeit dazu gekommen ist, etwas schreibe.