Sonntagmorgen um 9 Uhr… während ich meine Morgenroutine, die immer mit dem Trinken von goldener Milch, Frühstücken (ich stehe momentan vor Hunger teilweise um 7 Uhr auf) und Meditieren besteht, wurde mir bewusst, dass mich ein Thema seit Donnerstag beschäftigt. Als ich meine Diagnose letztes Jahr erhielt, dass mein Tumor bösartig war und ich auf jeden Fall eine Chemotherapie brauche und im Wartezimmer der Uni Homburg auf die Termine mit den Onkologen wartete, wurde mir schnell klar, dass ich an mir arbeiten und lernen musste, mich abzugrenzen. Deshalb entschied ich mich unter anderem dafür, die Chemotherapie in einer kleineren Praxis durchzuführen, die Persönlichkeit, Herz und Verständnis zeigt.
Auch dort musste ich anfangs viel an mir arbeiten. Als hoch empathische Person musste ich lernen, Grenzen zu setzen. Nach der ersten Chemo war ich völlig erschöpft. Die vielen Schicksale… ehrlich gesagt war es auch für mich einfach zu viel.
In den letzten Wochen habe ich viel gelernt: Wie man im Wartezimmer weghört, während der Chemo Kopfhörer aufsetzt oder einfach in ein Buch vertieft.
Gerade lese ich ein passendes Buch zu diesem Thema und beschäftige mich intensiv mit Mitleid und Mitgefühl. Die ersten Sätze in diesem Kapitel haben in mir Wut ausgelöst.
Plötzlich fiel mir mein guter Freund ein, der vor Jahren sagte: Was hast du davon, wenn du über diese Geschichten sprichst? Die andere Person hat nichts davon; du konzentrierst dich auf das Negative und belastest auch uns damit. Es ist eine Negativspirale.
In der vergangenen Woche habe ich Mitgefühl empfunden sowie Respekt und sogar Angst.
Eine Frau kam zur Chemo, nur ein Jahr älter als ich – eine herzzerreißende Situation. Es hat mich wirklich berührt und ich fühle mit ihr mit – konnte aber gleichzeitig eine Grenze ziehen. Zuerst ärgerte es mich, dass sie jedem ihre Geschichte erzählte; dann wurde mir klar, wie schwer es sein muss damit umzugehen. Ich kenne ihre Geschichte nicht im Detail; dennoch habe ich mich erfolgreich abgegrenzt. Das ist für mich Mitgefühl.
Die einzige Frage, die bleibt ist: Wie würde ich in dieser Situation reagieren? Ehrlich gesagt weiß ich es nicht genau.
Ja, ich bin eine Kämpferin und kann sogar in einer miesen Situation etwas Positives finden; Ich kann mich selbst motivieren sowie auch meine Mitmenschen…
Es ist wichtig, niemals im Leben aufzugeben und zu resignieren, denn es geht immer weiter.
Manche Menschen bauen Mauern, andere Windmühlen. Was ist einfacher und was ist besser?
Das kann jeder für sich selbst entscheiden.
Ich persönlich baue Windmühlen. Es ist nicht einfach, es ist anstrengend und an manchen Stellen einsam. Dennoch gibt mir diese Art des Umgangs mit meinem Leben Motivation weiterzuleben, mein Leben anzunehmen, mich selbst zu verzeihen und nicht mehr über mein Schicksal zu hadern. Es beginnt langsam glücklich zu machen, auch wenn vorher viele Tränen fließen müssen während des Loslassens.
Für mich persönlich ist das Aufrechterhalten einer Mauer keine Option. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Nach meiner Überzeugung hat eine Krankheit immer eine Ursache und führt stets zu Veränderungen im Leben. Es ist ein Hinschauen und den Gefühlen endlich Raum lassen.
Es ist ein täglicher Spagat zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der Angehörigen und Familie. Konflikte und Missverständnisse können dabei durchaus auftreten.
Mit Mitgefühl bin ich mir selbst und anderen begegnet. Ich lasse es nun die Schicksale der anderen wieder ziehen und bin Dankbar dafür, dass es mir derzeit gut geht.
Ich habe viel Unterstützung erhalten – doch diese Unterstützung kommt erst, wenn man bereit ist, die eigene Verantwortung für sich zu übernehmen. Dieser Prozess kann Angst machen, aber es ist der einzige Weg.
Liebe Frauen da draußen, erlaubt euch, eure Gefühle zuzulassen, geht euren eigenen Weg und sucht Unterstützung – sie ist vorhanden.
Beginnt mit kleinen Schritten, um voranzukommen… Zum Beispiel arbeite ich an meinem neuen Konzept für meine Rolle bei den MV Onliners. Auch wenn ich nur eine kleine Aufgabe heute umsetze, gibt mir das Selbstwertgefühl und ermöglicht es mir, meine Gedanken nach außen zu tragen und mich zufrieden und glücklich zu fühlen.